Erlebnisbericht: 12 Stunden Busfahrt quer durch Deutschland

  • oder auch: FC Schalke 04 vs. Hannover 96


    Seit dem ich Fan der "Blau-weißen" aus dem Mittelzentrum des Regierungsbezirks Münster - Gelsenkirchen - bin, konnte ich zwar die Knappen schon einige Male live betrachten, aber zu einem Punktspiel hatte es bislang nicht gereicht. Als ich vor zwei Wochen erfuhr, dass der Schalke-Fanclub "Grube Leopold" aus Edderitz (Sachsen-Anhalt - LK Anhalt-Bitterfeld) einen Bus mietete, um am ersten Spieltag der Saison 2008/2009 zum Heimspiel von Schalke 04 gegen Hannover 96 zu fahren, war ich sofort Feuer und Flamme, an dieser Fahrt teilzunehmen. Also kontaktierte ich sofort den Fanclubchef, der mich - seines Urlaubs bedingt - erst einmal eine gute Woche zappeln lies. Letzte Woche Montag dann endlich die erfreuliche Antwort: Es seien noch Plätze im Bus frei und ich könnte mitfahren. Das lies ich mir kein zweites Mal sagen und sagte zu!


    Nun war es fast soweit: Freitag, der 15. August. Da es Samstag morgen schon um 6 Uhr in Piethen (Sachsen-Anhalt - LK Anhalt-Bitterfeld) mit dem Fanbus losgehen sollte, musste ich mich schon gegen 4 Uhr morgens in Leipzig (Sachsen) losmachen. Da es der erste Besuch in der Veltins-Arena - einem 5-Sterne-Stadion - war, war das ganze auch mit ein wenig Aufregung verbunden. So verbrachte man die Nacht von Freitag auf Samstag mehr wach als schlafend und das Weckerstellen hätte man sich getrost sparen können. Pünktlich ins Auto gesetzt und überpünktlich (dank leerer Straßen und nur einer Polizeikontrolle in Halle) in Piethen angekommen, holte ich noch meinen Onkel ab und wenig später dann noch weitere "Blau-weiße" aus dem Dorf. Schnell noch das erste Bierchen des Tages gezischt und ab zum Ortsausgang Piethen, wo uns der Bus abholte. Im Bus traf man dann auf einige jugendliche Zeitgenossen die schon ziemlich gut unterwegs waren. Auf ging es weiter über Edderitz, wo man den Kern des Fanclubs einlud, Köthen, wo man am Stadion an der Rüsternbreite schon die erste Raucherpause vollzog (wohlgemerkt: es saß noch keiner länger wie 20 Minuten im Bus) und Bernburg ab auf die A14. Auf der A14 fahrend outete sich dann unser Busfahrer als Zecke, was auch sein T-Shirt mit dem Aufdruck vorn: "Schalke 04" und hinten "ich wurde gezwungen" erklärte. Aber nichts desto trotz war er ganz locker drauf und somit stellte seine "gelb-schwarze" Leidenschaft kein Problem dar. Und Spaß verstehen ja wir alle! Kurz vor Magdeburg machten wir eine weitere Pause und der Busfahrer machte sich immer beliebter, nachdem er aus den tiefen des Busses die Flüssignahrung in den Fahrgastraum schleppte. Weiter ging es zum Kreuz Magdeburg auf die A2 gen Westen. Vorbei an der ehemaligen Staatsgrenze Marienborn (wo es wirklich noch wie in einem Hochsicherheitstrakt ausschaut - sämtliche Relikte aus DDR-Zeiten waren noch erhalten), Braunschweig, Peine, Hannover und Bad Oeyenhausen erreichte man auf dieser sich wirklich in die Länge ziehenden 446km-Tour den Rastplatz Herford. Dort kurz verschnauft ging wieder weiter. Allerdings nur wenige Kilometer bis zur Raststätte Vellern, da den Jungs ihre Mädchenblase schon wieder drückte. Da traf man auf ein paar andere Schalke-Fans wie auch auf die ersten 96-Fans mit denen man sich friedlich austauschte. Nach einer guten Viertelstunde ging es wieder weiter: Autobahn, Autobahn und noch mal Autobahn. Zwischendurch kam man auf der dreispurigen Autobahn im besten Zustand, welche auf 120km/h begrenzt ist, an einem mobilen Blitzer vorbei. So etwas ist dann wohl wirklich Abzocke pur. Der Bus fuhr ohnehin nicht im dreistelligen Geschwindigkeitsbereich, von daher war nichts zu befürchten, aber verwundern tut einen so was immer wieder aufs Neue. Noch schnell an der gelb-schwarzen Stadt der Schande vorbei und schon war man in Gelsenkirchen. Nachdem sich unser Bus auf den noch leeren Parkplatz breit machte, entschloss man sich schnell den Fanshop zu entern. Im Fanshop angekommen traute man seinen Augen nicht: Menschen über Menschen. Platz zum Umfallen gab es keinen, aber letztendlich kam niemand aus dem Fanshop heraus, ohne nicht mindestens 50 T€uronen dagelassen zu haben. Nach gut einer Stunde - es war mittlerweile irgendwas zwischen eins und halb zwei Mittags - brachte man sein erbeutetes Gut zurück zum Bus. Am Busparkplatz zurück traute man seinen Augen nicht - Busse über Busse (auf Anfrage bei einem Parkplatzwächter wurde uns gesagt, auf dem Platz passen 200 Busse) aus ganz Deutschland und alles nur Schalke-Fanbusse. Nachdem wir unseren Bus wiedergefunden hatten, hat man seine neu erbeuteten Fanutensilien abgeladen bzw. angezogen, noch schnell eins zwei Bierchen gezischt und ab ging es gen Veltins-Arena. Wieder vorbei am Fanshop erstreckte sich der Weg an unzähligen sehr gut besuchten Fressmeilen und mindestens 5 weiteren "kleinen" Fanshops, wo man sich auch noch mal das ein oder andere Shirt kaufte. Nach gut einer halben Stunde Weg ist man endlich angekommen: Am Eingang Nord der Veltins-Arena. Dort dann die Karte durch den Scanner gezogen und ab durchs Drehkreuz. Dahinter traf man auf eine Armee von Ordnern und Metalldetektoren. Nachdem man auch das alles überwunden hatte war man endlich drin! Block N6 war auch schnell gefunden, nur die Typen die die Programmhefte verticken nicht. So ging es halt ohne Programmheft rein in den Block. Das Stadion war eine Stunde vor Anstoß noch recht leer, so dass man noch freie Platzwahl hatte. Nach und nach füllte sich die Arena ziemlich gut. Der Rasen wurde auch noch mal "gesprengt", was für eine ziemlich schwüle Luft in der fast geschlossenen Arena sorgte. Schwitzender Weise fieberte man endlich dem Anstoß entgegen. Die Ordner im Stehbereich achteten penibel darauf, dass niemand auf den in rot gepinselten Treppen im stand. So wurde es an so mancher Stelle in der Nordkurve recht "kuschelig".


    Pünktlich 15:30 Uhr war es dann soweit: Schiedsrichter Günter Perl pfiff an. Es sollte keine zwei Minuten dauern, dass die Schalker in Führung waren. Eine Hereingabe von Ivan Rakitic beförderte Mannschaftskapitän Marcelo Bordon per Kopf ins Netz der 96er. Nationaltorwart Robert Enke schaute völlig reaktionslos den Ball hinterher, wie er ins Netz flog. Und so einer soll künftig für die deutsche Nationalelf halten? Die verletzungsbedingt fehlenden Jefferson Farfan und Orlando Engelaar wurden heute durch Halil Altintop und Levan Kobiashvili ersetzt und machten ihre Sache erstaunlich gut. So holte Halil Altintop jene welche Ecke heraus, die dann Christian Pander trat. Der Ball kam auf den auf der Linie des 5m-Raumes stehenden Kevin Kuranyi, der ebenfalls das Leder mit dem Kopf in die Maschen der 96er drückte (7.). Erneut machte dabei Robert Enke keinen guten Eindruck. Die Schalker kombinierten weiter gut und gefällig, die 96-Spieler waren meistens nur elf der knapp 62000 Zuschauer. Benedikt Höwedes hatte zwischenzeitlich schon einmal die Chance auf ein frühes 3:0 für die Knappen. Dann ging urplötzlich ein lautes Gebrüll durch das weite Rund: Jermaine Jones wurde von dem Hannoveraner Altin Lala rüde umgesenst (26.). Das Schalker Verletzungspech hielt an! Jermaine Jones musste kurz nach dem rüden Foul mit mehrfachen Bänderriss verletzt ausgewechselt werden. Für ihn kam Carlos Grossmüller. Der Treter hingegen sah gerade einmal lächerliches gelb, wobei man sein Foul schon als Körperverletzung werten konnte, wenn nicht gar müssen. Bis zur Halbzeit kontrollierte Schalke souverän das Geschehen ohne weiter zwingend zu wirken – warum auch, wenn man 2:0 vorn liegt!? Die Fans der Nordkurve - auch wir - vertrieben sich die Zeit bis zur Halbzeit mit freudigen Gesängen wie z.B. "der S04 ist wieder da", "blau und weiss ein Leben lang", "deutscher Meister wird nur der S04", "die Nummer 1 im Pott sind wir", "königsblauer S04" und Wechselgesang mit der Südkurve "Schalke - 04". Einfach nur Gänsehautfeeling!
    Die zweite Halbzeit ging so weiter, wie die Erste aufhörte. Schalke kontrollierte weiterhin das Spiel und selbst wenn einmal die 96er vor das Tor von Matthias Schober kamen, strahlten sie nur wenig Gefahr aus. Altin Lala bekam bei jedem Ballkontakt ein gellendes Pfeifkonzert zu hören. Da konnte er wohl von Glück reden, dass die Veltins-Arena ein Hochsicherheitsstadion ist. So dauerte es bis zur 64. Minute bis die Menge wieder (erfreulich) tobte. Erneut Kevin Kuranyi war es, der zum 3:0 nach einem weiteren Standard einnetze. Nun gingen Laola-Wellen durch (fast) das ganze Stadion. Die Ultras GE stimmten frohen Mutes "wer nicht steht, der ist Borusse", wahlweise auch "wer nicht hüpft, der ist Borusse" an. Freilich stand dann niemand still! So feierten die Blau-weißen ihr Team bis zum Ende des Spiels. Die Knappen liefen die restlichen rund 25 Minuten kaum Gefahr, ein Gegentor zu kassieren. So war man um 17:20 Uhr gemeinsam mit Hoffenheim Spitzenreiter. Als die 04-Kicker ihre obligatorische Runde durchs Stadion liefen wurde noch einmal "deutscher Meister wird nur der S04" angestimmt, bei dem wohl auch der ein oder andere Spieler mitgesungen hatte (hatte zumindest nach der Mundbewegung zufolge den Eindruck). Nun machte man sich wieder auf den Weg zurück zum Bus.


    Am Bus angekommen hat man kaum noch Luft bekommen. Von den rund 200 Bussen war schon die Hälfte am abfahren, vielmehr in der Schlange stehen bei laufenden Motoren. Dementsprechend war auch die Luft auf dem Busparkplatz. Als sich gegen halb sieben alle am Bus eingefunden hatten und die Schlange auf der Ausfahrt des Busparkplatzes immer kürzer wurde, setzen auch wir uns wieder in Bewegung gen Heimat. Die meisten fingen sofort an zu schlafen und auszunüchtern. Allerdings wurde bei den Pausen auf dem Weg nach Hause, das was an Alkohol abgebaut wurde, wieder nachgetankt. Bei der ersten Pause auf der Rückfahrt, irgendwo auf einem Rastplatz im Niedersächsischen traf man auf ein paar polnische Trucker, die uns erst einmal freudig auf ein Schnäpschen einluden und wohl völlig irritiert der königsblau gekleideten, an- bzw. betrunkenen und singenden Leute waren. Die letzte Rast vor der Heimat war dann die Raststätte Zweidorfer Holz, wo noch mal genüsslich gespeist wurde. Sonntag früh kurz vor eins wieder in Piethen angekommen, wurde sich erst noch mal gemütlich auf die Straße gesetzt und ein paar Liedchen gesungen, die man schon 6 Stunden auf der Hinfahrt und 6 Stunden auf der Rückfahrt im Bus hörte. Der Busfahrer war nach den 12 Stunden Dauerberieselung mit Schalke-Liedern im Bus froh, dass er endlich Feierabend hatte. Aber auch jeder einzelne von uns war dann froh, wie man endlich einen geeigneten Platz zum schlafen gefunden hatte (und nein, es war nicht auf der Straße *g*) …
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    Statistik vom Spiel:


    Schalke: Schober - Westermann, Höwedes, Bordon, Pander - Jones (30. Grossmüller), Ernst, Kobiashvili - Altintop, Kuranyi (78. Sanchez), Rakitic (68. Asamoah)


    Hannover: Enke - Cherundolo, Ismael (62. Eggimann), Vinicius, C. Schulz - Balitsch (62. Rosenthal), Lala, Huszti - Bruggink - Hanke, Schlaudraff (65. Forssell)


    Tore: 1:0 Bordon (2.), 2:0 Kuranyi (7.), 3:0 Kuranyi (64.)


    Schiedsrichter: Günter Perl (München)


    Zuschauer: 61.673 (ausverkauft)


    Gelbe Karten: Rakitic - Lala, Balitsch


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    Bilder von der Busfahrt und selbstverständlich auch vom Spiel gibt es hier (Fotos -> Hopping 2008/2009)

    Franz Beckenbauer: "Ja gut, am Ergebnis wird sich nicht mehr viel ändern, es sei denn, es schießt einer ein Tor."